Kapitel 4: von Bogotá nach Minca

…oder auch von der stressigen Stadt in die abgeschiedene Entspannung

Dienstag, der 16.August 2016 – Morgens 8 Uhr – Ankunft Bogota – Nördlicher Terminal

Wir steigen aus unserem Bus nach einer etwa 7-8 Stunden andauernden Fahrt. Die Ankunftshalle ist klein, aber voller Menschen, die in riesigen Schlangen stehen, um ein Taxi zu bekommen. Ein Polizist bestätigt mir, dass dies der einzige Weg ist, um hier wegzukommen.
Okay, wir stellen uns an und machen uns einen Spaß daraus bei jedem haltenden Bus zu versuchen die W-Lan-Codes zu knacken. Bei einem haben wir Glück.

Taxifahrt ins Zentrum „La Candelaria“, genau am Fuße des Monserate, einer Kathedrale mit einem abgefahrenen Blick über diese völlig chaotische 9 Millionen Einwohner Metropole. Wir haben zwar noch kein Hostel, aber genießen die ersten Eindrücke über diese Stadt, welche Does – Loveletters  laut einem einheimischen Graffiti-Writer als „das Disneyland des Streetart“ bezeichnet hat.

Hostel gefunden – Check In leider erst um 14 Uhr und somit laden wir unsere Sachen ab und gehen schnurstracks Richtung Monserate, in der Hoffnung, dass der Fußweg entgegen der Infos anderer Reisender mittlerweile wieder offen ist – Leider nicht.
Erstens, weil wir jetzt für die Gondel bezahlen müssen und zweitens, weil ich nicht nachprüfen kann, ob meine Grüße noch an derselben Wand stehen, wo ich sie vor 3 Jahren hingeschrieben habe. Schade, aber das heißt dann wohl, dass ich ein andermal nachgucken muss.


Es ist noch immer Dienstag und nach unserem Mittagsschläfchen im Hostel werden wir von einem Einheimischen gefragt, ob wir mit auf den „Gringo’s Tuesday“, einer Party im gehobeneren Norden der Stadt, kommen möchten.
Wie der Name schon sagt, geht es um eine Party für Reisende. Ein paar andere im Hostel sind auch dabei und da wir nichts besseres zu tun haben sagen wir zu… Kontakte knüpfen.

Gedankengänge zum Gringo’s Tuesday

22:30 Uhr. Der Bus ist eine halbe Stunde zu spät. An der Hostel Rezeption stehen die Reisenden bereit um abgeholt zu werden .Alle mit einem Bier bewaffnet. Irgendwann heißt es, der Bus ist da und wir steigen ein. Meine Schwester und ich irgendwo mittig, umgeben von Reisenden verschiedener Nationalitäten. Ich sitze am Fenster. Der Rum wird verteilt. Wir fahren los in die Dunkelheit und durchqueren diese schöne Stadt, mit seinen traurig paradoxen Vierteln, in denen Armut und Reichtum im Glanz des gelblich, dreckigen Licht miteinander verschwimmen.
Lethargisch beobachte ich die Gassen, die Armut, die Obdachlosen und wenige Minuten später die Anzugtragende gehobene Gesellschaft vor ihren hell beleuchteten Bars.
Begleitet von Salsa-Musik aus rauschenden Boxen und den Stimmen der Party-Gäste.
Die Party ist mäßig, aber das mag nur meine Ansicht sein, denn während ich am Rand stehe, mein Bier trinke und den Damen und Herren bei ihrem Balzverhalten zusehe, merke ich mal wieder, dass mich Clubs und ihre sich immer wiederholenden Geschichten eigentlich extrem langweilen…
„You have to make an effort“ sagte mir mal ein Holländer, als ich meinte ich komme öfters mal mit Hostelgästen nicht zurande.
Meistens will ich das auch gar nicht.
3 Uhr Nachts heimfahrt zurück ins Hostel.

Gedankengänge Ende

2 weitere Tage bleiben wir in der Hauptstadt, fahren einmal kreuz und quer durch die ganze Stadt, machen die Graffiti-Tour mit und hören uns dazu die ganzen politischen Statements zu den einzelnen Bildern an.
Die Geschichte von dem 16-Jährigen Sprüher, der erschossen wurde. Von der Polizei, die wie sie später zugab gelogen hatte, als sie sagten er sei bewaffnet gewesen.
Von der Streetart-Szene, die auf die Barrikaden ging und die ganze Stadt mit Loyalitäts-Bekundungen zupflasterte. Von der Regel, dass seither Graffiti in Bogota zwar nicht wirklich Legal, aber geduldet ist.
Bühne frei, für ein paar der besten Writer der Welt!
Herausragend schöne, chaotische Stadt!

Freitag, der 19. August 2016

Spontan entscheiden wir uns, unser Hostel zu verlassen, welches sich immer mehr füllt mit Reisenden und damit für uns auch mit Langeweile.

Wir fahren weiter nach Barbosa, wo eine Freundin von mir lebt, die ich vor 3 Jahren auf einer Schwulen- und Lesben- Party in Bogota kennengelernt hab.
Ein kleines pink-haariges Energiebündel, welches später zugab, sie sei anfangs fest davon überzeugt gewesen, dass ich schwul sei.

Gedankensprung

Komm ich mit klar, so 100% hetero bin ich wahrscheinlich nie gewesen. Es ist mir auch im Prinzip egal. Wegen mir kann man mich „Bi-Emotional“, „Pan-Emotional“, „Welt-Emotional“ oder was auch immer nennen. Ich hab genug Graustufen zwischen wirklich allen Schubladen kennengelernt, um mir selbst guten Gewissens keinen Stempel aufdrücken zu wollen.
#SchubladeMensch

Gedankensprung Ende

Meine Schwester und ich kommen Abends am Terminal Barbosa an. Es ist dunkel und wir erreichen Naidu, das Mädchen, welches wir besuchen wollen, nicht.
Wir sind die einzigen Gringos und somit kommen viele Menschen und wollen uns helfen. Sie fragen uns nach der Adresse und ob wir ein Taxi brauchen. Direkt gegenüber gibt es ein Hotel, wo sie uns hinschicken.
Wir versuchen die ganze Zeit zu erklären, dass das nicht nötig ist. Wir kommen schon irgendwie klar.
Kurzzeitig fahren Busse mit offenem W-Lan vorbei. Schnell einwählen. Nachricht verschicken. W-Lan wieder weg. Nächster Bus. Keine Antwort.
Irgendwann bietet uns jemand an, unsere Freundin anzurufen. Die Nummer habe ich ja. Als er meinen Kontakt inkl. dem eingespeicherten Namen im Handy sieht schaut er mich verwundert an:
„Naidu? Ihr wollt zu Naidu? Ich kenne sie, ich kann euch zu ihr fahren, wenn ihr wollt!“

„Entweder wir werden jetzt entführt, oder wir haben Megadusel“

Lachend gehe ich zu meiner Schwester und wir entscheiden mitzufahren.
Ca 7-8 Stunden später, stehen ich und 4 Kolumbianer betrunken von Anis-Schnaps und Bier morgens um 4 an einem Aussichtspunkt und blicken auf das kleine Örtchen Barbosa… während Rammstein über die Lautsprecher eines Autos läuft. Herzlicher kann man sich ein Willkommen nicht vorstellen!

Montag, der 22. August 2016

Nach dem Freitag Abend hatten wir noch 2 entspannte Tage, bis wir am Montag spontan entschieden weiter in den Norden Richtung Karibik-Küste zu fahren.
Ziel Minca in der Nähe von Santa Marta. Hier wird wieder bewusst, wie vielseitig Kolumbien ist. Während Santa Marta direkt an der Karibik-Küste liegt, ist Minca mit gerade mal 40 Min Fahrtzeit ein astreines, kleines Dschungeldorf, in der ebenfalls ein Freund von mir lebt und Survival-Touren anbietet.

3 Jahre nachdem wir uns von einander verabschiedet haben fallen wir uns in die Arme mit den Worten „This is not a Non-Beer-Time“ während Duncan uns eines von vielen, folgenden Bieren reicht.
Bereits im ersten Gespräch bietet er uns an am Wochenende mit auf einen Erkundungs-Ausflug in den Dschungel zu gehen. 1 Nacht campen und auskundschaften, ob er das Grundstück eines Freundes für seine Touren nutzen kann.
Wir sind sofort dabei und entscheiden einfach ein paar Tage hier zu bleiben.
Die herzlich, familiäre Crew haben wir sofort ins Herz geschlossen und für mich ergibt sich eine traumhafte Home-Base.


Während unser Hostel bereits 45 min Fußmarsch vom Dorf entfernt ist gibt es noch einmal eines, welches weitere anderthalb Stunden den Berg oben ist. Das Berühmte. Das Beliebte. Das für seine riesengroße Hängematte bekannte Hostel mit traumhaften Ausblick.
Am Donnerstag vor dem Camping marschieren wir nach oben.
Standart-Backpacker. Standart-Gespräche. Standart-Publikum. Auch wenn es tatsächlich ein wunderschöner Ort mit wirklich gutem Essen ist sind wir froh, am Abend wieder an unserer kleinen Holzbar zu sitzen. Das Feuer im Rücken. Die Dartscheibe an der Wand und einem verrückten Koch, der uns erklärt, wie man THC aus Gras extrahiert, um es zum Kochen und Backen zu verwenden.
Familie!


Freitag, der 2. September 2016

Ich sitze noch immer in Minca. Anderthalb Wochen völlig abgeschiedene Entspannung neigen sich dem Ende zu. Morgen geht unser Flieger zurück nach Medellin, von wo aus meine Schwester am Montag wieder nach Deutschland zurückfliegt.
Aber was genau ist in den 12 Tagen eigentlich passiert, in denen wir hier waren? Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit und gleichzeitig ist die Zeit einfach nur rasend schnell verflogen.
Wir hatten alle Stationen, welche wir abhaken wollten abgehakt.
Die letzte festgelegte Station sollte der Besuch bei Duncan in Minca werden und daraus wurde eine völlig verrückte, wunderbare Zeit mit vielen neuen Gesichtern, schönen Gesprächen, exotischen Tieren, viel Bier und einem Gefühl der entspannten Geborgenheit im Kreise einer kleinen Familie.

Dschungel-Ausflug, Dschungel-BBQ, Dschungel-Dusche, Dchungel-Dart, Dschungel-Tarantel, Dschungel-giftige Schlange, Dschungel-Tucan, Dschungel-Riesen-Hängematte, Regen, Regen, Regen…

2 Stunden weiter weg (Tayrona-Nationalpark):
Karibik-Strand, Karibik-Leguane, Karibik-Normalgroße-Hängematten. Karibik-Mitarbeiter, die einfach nur unfassbar hilfsbereit sind, Sonne, Sonne, Sonne…


All inclusive, so wie ich mir das vorstelle! Scheiß auf Pauschaltourismus!

In etwa 1-2 Wochen werde ich hierher zurückkommen und voraussichtlich die Hostelwand gestalten. Ich freue mich schon jetzt sehr darauf, die Leute wiederzusehen.

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